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Tomskreport
Östlich des Ural, 31.7.2006
Setzt man sich in einen Zug und fährt nach Osten ohne sich von bewehrten Grenzen aufhalten zu lassen, fällt vor allem eines ins Auge:
eine unermeßliche Gleichförmigkeit. Der Zug rattert Stunden und Stunden, Tage und fast Wochen, aber das Land bleibt flach, riesig und wunderlich.
Aber die Wunderlichkeit lässt einen zweifeln am Realitätsbezug der eigenen Anschauung. Vielleicht rutscht man jenseits des Ural aber auch in
eine Parallelwelt, in der sich räumliche Bezüge in der Beliebigkeit der Weite auflösen.
Das tagelange Sitzen zermürbt Körper und Geist. Vor dem Zugfenster scheint man das nicht allzu krumm zu nehmen,
es ist ja Sommer und ziemlich warm. Etwa jeden Morgen muss man seinem Wecker eine zusätzliche Stunde aufdrängen ohne dass dazu mehr
als eine abstrakte Veranlassung bestünde.
Man braucht nicht in den Weltraum zu fahren um unendliche Weite zu sehen. Die Taiga ist unermesslich.
Unermesslich sind auch die Wolkengüsse, die bisweilen herniederprasseln. Tobias und Niels am Ufer des Ob auf dem vorerst letzten Bild meiner Digitalkamera.
Und doch ist die Taiga schon bewohnt. Christoph und Sophiya auf einer Datscha unweit von Tomsk. Die Hollywoodschaukel 'camouflage' wiegt
sich im Wind und man freut sich. Sandhaufen laden zum Spielen ein.
Der Blick aus dem Hochhaus an der Uliza Laso. Atomkraftwerke glühen am Horizont und werden eins mit der Natur.
Wie daheim machen wir uns auf zu einem Spaziergang in den Flussauen des Ob.
Schon bald stellen wir fest es hier keine Zäune gibt, an denen wir unsere umschweifenden Seelen orientieren und begrenzen könnten. Wir bekommen intensive Lust auf Vodka. Zurück auf unserem Schiff Nadjeschda bekommen wir den auch.
Wir finden SpÜuren. Aber das ewige Werden und Vergehen hat sich der offensichtlich würzigen Hinterlassenschaften bereits bemächtigt.
Beim Einlaufen in Tomsk erblickt man am Ufer eine Versammlung ratloser Kräne. Ihnen ist der Überbau abhanden gekommen. Sandhaufen zeugen
von den Zeiten vergangenen Fleißes.
In deutscher Studentenmanier erholen sich Anna, Christoph, Franka und Tobias im Hinterhof der Tomsker Polytechnischenen Universität
von den alltäglichen Strapazen. Aus unerfindlichen Gründen blicken vorbeigehende Russen auf uns wie auf Außerirdische.
Inmitten der weiten Taiga erhebt sich dieses Kloster. Das Holzkombinat in der Nähe ist lange zerfallen. Seitdem baut man an diesem Kloster. Kein Bauplan
existiert davon. Der oberste Baupriester erhält nach Aussage des Außenkommunikationspriesters die Eingebungen direkt von Gott. Der Baupriester gibt
die Einflüsterungen an die Anderen weiter. Der Hauptsinn des Lebens bestünden nach den Priestern hier darin, sich ganz frei vom menschlichen Willen
zu machen und nur noch Gottes Impuls zu folgen. Um Beispiele für die Überlegenheit der rechtsgläubigen Kirche ist der
Außenkommunikationspriester nicht verlegen. Das Osterfeuer in Jerusalem entzünde sich nur beispielsweise nur mit deren Hilfe.
Tobias bleibt etwas skeptisch.
Wieder habe ich die Wochen in Russland zu einem Artikel im Potsdamer Studentenjournal Bernd kondensiert.
Hier ist der Text zu lesen.
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erstellt am 10. Januar 2006, fertigestellt am 31. Juli 2006
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